Digitalisierung, Disruption und Transformation – Ein Kurzbericht über die Fachreise zum Trendschlagwort „Innovation“ der Sparte IC/UBIT der WKNÖ. Ziel der dreitägigen Reise nach Berlin im Oktober 2018 waren Brennpunkte in Sachen Informationstechnologie, Start-ups und Creative Industry. Ein dichtes Programm erwartete die Teilnehmer, darunter eine Abordnung der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation mit Obmann Günther Hofer und dessen StellvertreterInnen.
Neben Informationen, Vorträgen und Diskussionen standen Besuche von Einrichtungen, Unternehmen und Organisationen am Programm, die sich bewusst Zukunfts- und Erfolgsfragen verschrieben haben. Zum Teil verfügen diese bereits heute über beispielgebende Geschäftsmodelle und Denkansätze, die nicht nur beachtenswert sind, sondern auch lohnend zu hinterfragen. Zusätzlich gilt es, deren Erfolgsrezepte genau zu analysieren.
Innovation braucht Strategie
Oberflächlich betrachtet könnte man die Frage stellen, warum ausgerechnet in Berlin eine der führenden Start-up-Szenen beheimatet ist und ein „Brutkasten“ für so manche – inzwischen auch weltweit – sehr erfolgreiche Unternehmen entstand. Ein Blick in die Vergangenheit der Stadt zeigt, dass die Wurzeln der heutigen Anziehungskraft für Innovative und Kreative in den zahlreichen ungenutzten Industriehallen und freistehenden Produktionsstätten zu finden sind.
„Die Start-up-Förderung in Deutschland unterliegt einer strengen Beschränkung nach bestimmten Kriterien.”
Diese wurden wegen ungeklärter Besitzverhältnisse nach der Wende als Wohn-, Büround Arbeitsplätze „besetzt“ und brachten eine neue Kultur des Wohnens und Arbeitens hervor. Ein neues Verständnis von Work-Life-Balance, Unternehmertum und Kooperation entwickelte sich. Heute ist es der Entschluss der Stadt und unter anderem von kommunalen Entscheidungsträgern, das Ansiedeln von
Fachkräften, Meinungsbildnern und Unternehmen mit Zukunftspotenzial zu forcieren und diesen optimale Rahmenbedingungen für die unternehmerische Entwicklung zu bieten. Dies fördert gezielt das innovationsfreundliche Klima.
Eine der vielen Förderprogramme, Verbände, Organisationen und öffentlichen Einrichtungen, die Berlin gezielt als „Nährboden“ für innovative Unternehmen aufbereiten, ist die „Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH“ – wohl eine der Vorzeigeeinrichtungen der deutschen Hauptstadt.
Das Förderprogramm konzentriert sich auf die Cluster Gesundheitswirtschaft, IKT – Medien – Kreativwirtschaft, Verkehr – Mobilität – Logistik, Energietechnologien und Optik. Unternehmen in diesen Bereichen werden gezielt durch Kooperations-, Fundraising- und Vernetzungsinitiativen gefördert. Betriebe mit Betätigungsfeldern außerhalb der strategischen Cluster hingegen müssen auf derartige Unterstützungen verzichten.
Start-up ist nicht gleich Startup!
Während man in Österreich oft geneigt ist, alle neu gegründeten Unternehmen als Start-ups zu bezeichnen, gibt es im benachbarten Deutschland bei der Start-up-Förderung eine strenge Beschränkung nach folgenden Kriterien:
- Die Unternehmensgründung liegt maximal fünf Jahre zurück.
- Das Start-up weist ein hohes Wachstum auf, gemessen an Umsatz und Mitarbeiterzahl.
- Das Geschäftsmodell ist skalierbar, das heißt es ist auch auf viele weitere Standorte anwendbar und damit multiplizierbar!
Wer diese Kriterien nicht erfüllt, muss meist neben finanziellen Fördermöglichkeiten auch auf weitere Unterstützung verzichten, etwa auf jene aus global aufgebauten Netzwerken, auf die Teilnahme an Pitches, Auszeichnungen und Sichtbarkeit von Best-Practice-Unternehmen, auf soziale Vernetzungsangebote und Vorteile bei der Wahl und Zurverfügungstellung von Unternehmensstandorten, Räumlichkeiten und Coworking-Spaces.
Apropos Standort
In Berlin werden in den wenigsten Fällen langjährig freistehende „Problemimmobilien“ und ausgestorbene Geschäftsflächen gezielt für Coworking-Spaces adaptiert, vielmehr werden den jungen Unternehmen Toplagen in den verkehrsgünstig gelegenen Zentren an Frequenzknotenpunkten offeriert.
Erfolgsgeheimnisse und Best-Practice-Beispiele
Das 2009 gegründete Unternehmen Signavio beschäftigt sich in Berlin, aber auch an Standorten in Amerika, Singapur, Frankreich, England und der Schweiz mit der Transformation von Unternehmensprozessen. Mit der eigens entwickelten Software „Business Transformation Suite“ unterstützt Signavio dabei, Entscheidungsabläufe und Prozesse im Unternehmen zu optimieren, (Teil-)Prozesse zu automatisieren und relevante Daten für Prozessverbesserungen zu generieren und zu analysieren. Der Entwicklungsprozess fokussiert sich weniger auf Kosten oder die bloße Innovation als vielmehr auf die Bedürfnisse der jeweiligen Unternehmenskunden. Diese werden konkret, unter anderem anhand der Customer Journey, der Moments of Proof und der entscheidungsrelevanten Markenberührungspunkte erhoben und berücksichtigt.
Das Start-up Qunomedical betreibt mit knapp 40 Mitarbeitern ein Onlineportal und vermittelt weltweit medizinische Leistungen – von Zahnbehandlungen ab einem Wert von etwa 250 Euro bis hin zu komplizierten Therapien und Operationen im Kostenbereich von bis zu 40.000 Euro. Kunden sind Patienten, welche die benötigte – mitunter auch überlebenswichtige – Behandlung im eigenen Land nicht erhalten, etwa weil dort die Erfolgsrate der Behandlung zu gering ist, keine entsprechenden Fachärzte zeitnah verfügbar oder die Kosten für die Behandlung unleistbar sind.
Mit etwa 7000 Kundenanfragen unterstützt das Unternehmen Menschen in 27 Ländern weltweit, prüft und vermittelt die Leistungen von über 1000 Fachärzten und medizinischen Einrichtungen. Qunomedical erreicht damit – laut eigenen Angaben – eine ausgezeichnete Empfehlungsrate und einen unglaublichen Net Promoter Score von 82! Die Anforderungen an die Internationalität des Geschäftsmodelles erfüllt die aus Linz stammende Mitgründerin Dr. med. Sophie Chung durch das gezielte Recruiting der Mitarbeiter aus aktuell 18 Nationen. Die simpel klingende Mission der in Berlin lebenden Österreicherin: „Einfacher und leistbarer Zugang zu den benötigten medizinischen Leistungen für jedermann!“
Die 2013 gegründete Raisin GmbH nützt die unterschiedlichen Zinsniveaus der verschiedenen Länder für private Sparer und Anleger, indem sie weltweit Sparprodukte über eine Online-Plattform vermittelt. Dabei muss der Kunde nicht direkt mit der jeweiligen Bank interagieren. Das One-Stop-One-Shop-Konzept hat seinen Privatkunden bisher einen Zinsertrag von 70 Mio. Euro beschert, indem es die sonst nur national verfügbaren Sparprodukte von insgesamt 60 Banken international zugänglich macht. Die Anforderungen an Sicherheit und Vertrauen in die vermittelten Bankprodukte, aber auch die finanzgesetzlichen Vorgaben sind in diesem Bereich nicht weniger sensibel als im klassischen Bankengeschäft. Dennoch verweist auch dieses Unternehmen auf eine ausgezeichnete Empfehlungsbereitschaft seiner Kunden.
Was bleibt? Jede Menge Eindrücke, Denkanstöße und Perspektiven.